Beispiel einer Gedichtanalyse – Kirschblüten bei Nacht

Beispiel einer Gedichtanalyse – Kirschblüten bei Nacht
Beispiel einer Gedichtanalyse – Kirschblüten bei Nacht

Das Gedicht “Kirschblüten bei Nacht”, geschrieben von Barthold Heinrich Brockes wird im Folgenden analysiert, wobei vor allem auf den Interpretationsteil ein besonderes Augenmerk gelegt wird.

1. Einleitung:

Das vorliegende Gedicht trägt den Titel „Kirschblüten bei Nacht“ und es ist ein Bestandteil der Sammlung der Gedichte von Barthold Heinrich Brockes. Diese ist unter dem Titel „Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in physikalischmoralischen Gedichten“ in insgesamt neun Teilen zwischen dem Jahr 1721 und 1748 veröffentlicht worden.
Die Absicht des Autors war es, den Menschen durch Betrachtungen der Natur zur Gotteserkenntnis zu führen. Die Intention Gott dem Menschen näher zu bringen stellt auch den Kernpunkt es vorliegenden Gedichts dar.

Der Inhalt des Gedichts verweist hingegen auf die Entstehung während der Zeit der frühen Aufklärung. Nach einer kurzen Darstellung der wesentlichen Aspekte der Aufklärungsepoche soll das vorliegende Werk in Bezug auf die Form, den Inhalt als auch die Sprache interpretiert werden. Aber auch auf Besonderheiten der Epoche soll eingegangen werden.

Kurzer Überblick über den historischen, literatur- als auch geisteswissenschaftlichen Zusammenhang:

Politische Ereignisse innerhalb der Epoche der „Aufklärung“:

Die Aufklärung bezeichnet eine Epoche, in welcher philosophische, soziale sowie politische Veränderungen in Gang gesetzt worden sind. Vor allem bestand hier das Ziel darin, den derzeit herrschenden Absolutismus, unter der Appellation an die Vernunft des Menschen, in Frage zu stellen.

Vor allem aber der amerikanische Unabhängigkeitskrieg von 1776 erzeugte einen Umbruch. Dieser ermutigte die europäischen Aufklärer offen Kritik gegenüber den herrschenden Monarchen auszuüben. Die Epoche des Absolutismus fand letztendlich in der Französischen Revolution (1789) ihr Ende.

Grundgedanken dieser Zeit:

Durch Denkbewegungen wurden die oben beschriebenen Ereignisse (franz. Revolution) in die Wege geleitet. Durch das Appellieren an die Vernunft jedes Einzelnen sollte der Mensch an sich in seinem Verhalten und in seiner Denkweise „verbessert“ werden.

Literarische Besonderheiten der Zeit:

Die Prinzipien der Vernunft wurden dahingehend auf die Dichtung übertragen, dass diese im Prinzip als eine Art der Erziehung genutzt werden sollten. Die Aufgabe der Literatur sollte vor allem darin liegen, dass Sie einen gewissen Nutzen haben sollte. So entwickelten sich auch didaktische Arten wie zum Beispiel Fabeln.

Vor allem aber die Sprache innerhalb der Gedichte wurde im Vergleich zu vorangegangenen Epochen um einiges einfacher und verständlicher, um die Texte möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Die Poetikvorgaben vorangegangener Epochen wurden in den meisten Werken vernachlässigt, wodurch die Texte um einiges leichter zugänglich wurden.

2. Analyse in Bezug auf die Form, den Inhalt und die Sprache:

Die Form des Gedichts:

Die Form des Gedichts lehnt sich noch stark an die barocktypische Form an. In diesem Fall liegt ein Sonett (4 Strophen; zwei etwas längere aber auch zwei etwas kürzere Strophen) vor, welches allerdings die strengen Vorgaben des Barocks an einigen Stellen vernachlässigt. Dies zeigt sich darin, dass die 4 Strophen eine unterschiedliche Länge aufweisen. Weiterhin weist die dritte Strophe des Gedichts lediglich noch sieben Verszeilen auf. Die dritte und die vierte Strophe bestehen hingegen jeweils nur noch aus vier Verszeilen.

Auffallend ist auch das uneinheitliche Druckbild. Die Zeilen 4,9,12,20,23 und 29 reichen weit über die Enden der restlichen Strophen hinaus. Durch diese Durchbrechungen der Vorgaben des Barocks zeigt sich deutlich, dass hier ein Werk aus den frühen Zeiten der Aufklärung vorliegt.

Der Inhalt des Gedichts:

Bereits die Überschrift lässt einen das zentrale Thema des Gedichts erahnen. Im Mittelpunkt des Gedichts steht die Gegenüberstellung von „weißen Kirschblüten“ und der „schwarzen Nacht“. So wird bereits in der ersten Strophe ein in Blüte stehender Kirschbaum bei Nacht unter dem Schein des Mondes beschrieben.

Gegenüberstellung von Kirschblüten und der Nacht (1)
Gegenüberstellung von Kirschblüten und der Nacht

Das lyrische Ich trägt hierbei seine Begeisterung vor (Zeile 4 „Ich glaubt es könnt nichts von größerer Weiße sein“). Hierauf folgt dann eine Steigerung des ersten Eindrucks durch weitere Beschreibungen der Natur (Zeile 5: Schnee; Zeile 9: Schwan).

In der zweiten Strophe macht das lyrische Ich eine überraschende Entdeckung am Himmel. Hier wird von diesem ein noch weißeres Weiß beschrieben (Zeile 19/20) „Und ward noch einen weißem Schein, der tausendmal so weiß und tausendmal so klar.“ Die Außergewöhnlichkeit dieser Impression soll durch die Verwendung einer Hyperbel verdeutlicht werden.

Die Beschreibung dieser Außergewöhnlichkeit wird dann in der dritten Strohe fortgesetzt (Zeile 22ff.) „Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein bei diesem weißen Glanz…“

In der vierten Strophe wird dann die zentrale Erkenntnis des Lyrischen Ichs beschrieben: „Wie sehr ich mich auch an Gottes Schöpfung auf Erden erfreue, die himmlische ist umso großartiger.“ Hier erfolgt nun eine naturwissenschaftliche Reflexion, wodurch sich deutliche Bezüge zum Empirismus, der grundlegenden Denkbewegung dieser Zeit, herstellen lassen.

Dies erfolgt, indem ein sinnesphysiologisches Phänomen aufgegriffen wird und zwar, dass ein Gegenstand erscheint umso heller erscheint, je dunkler die Umgebung ist, in welcher sich dieser befindet. Zunächst werden die Kirschblüten im Mondlicht vom Lyrischen ich als das „weißeste“ dargestellt. Allerdings verwirft das Lyrische Ich diese Aussage nach einem Blick in die hellen Sterne. Dieses Phänomen wird nun durch den großen Unterschied zwischen der irdischen und der himmlischen Schönheit abgebildet.

Insgesamt zeigt sich hier die Erkenntnis Gottes des lyrischen Ichs. Diese spiegelt sich durch die natürliche Ordnung des Seins wider. Die Betrachtung des Naturphänomens soll aufzeigen, dass die Würdigung Gottes Werk, unumgänglich ist.

Die sprachlichen Gestaltungsmittel des Gedichts:

Der Inhalt des Gedichts wird in fließenden jambischen Versen (zwischen Dreihebern und Sechshebern) dargelegt. Hier wird die Abkehr vom Barock besonders deutlich gezeigt.
Auch die Reimarten wechseln innerhalb des Gedichts. Der Autor hat sowohl Paarreime z.B. (Zeile 1-4), Kreuzreime z. B. (Zeile 5 bis 8) und umschließende Reime z.B. (Zeile 9 bis 12) verwendet. In Zeile 19 und 25 liegt weiterhin gar kein Reim vor.

Insgesamt erzeugt die sprachliche Gestaltung einen überaus ruhigen aber auch fließenden Rhythmus. Dieser passt hervorragend zu der einerseits sachlich beschreibenden, aber auch andererseits lobenden und belehrenden Haltung des lyrischen Ichs. Somit zeigt sich auch in Bezug auf die verwendete Sprache deutlich die Verbindung zu der damaligen Epoche.

Schlussbetrachtung:

In der heutigen Zeit wird das Gedicht durchaus auf die meisten Leser überaus befremdlich wirken. Jedoch kann auch heute noch eine gewisse Aktualität des Gedichts vermutet werden, denn die Intention, seine Wahrnehmung für die Phänomene der Natur zu schärfen, ist gerade heute wieder aktueller denn je. Auch der Gedanke nach dem Sinn des Seins stellt auch in der heutigen Zeit noch eine wichtige Thematik dar.

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