
Klassizismus bezeichnet eine kunstgeschichtliche Epoche, die den Zeitraum von 1770 bis 1840 überspannt. Ausgelöst wird diese Strömung vor allem durch die archäologischen Ausgrabungen von Pompeji und Herculaneum Mitte des 18. Jahrhunderts, die ein wiederaufkeimendes internationales Interesse an der griechischen und römischen Antike veranlassen. Der Archäologe Johann Joachim Winckelmann, der vor allem im deutschsprachigen Raum als geistiger Begründer des Klassizismus gilt, sieht in der „Nachahmung der Alten“ einen Weg zu Größe und künstlerischer Meisterschaft. Infolgedessen wird die Antike zu einem Goldenen Zeitalter stilisiert, dem man sich durch die Nachahmung antiker Vorbilder – teilweise auch durch den Rückgriff auf die italienische Renaissance – anzunähern versucht. Italien zieht als Sehnsuchtsort zahlreiche Denker und Künstler des Klassizismus an.
Merkmale klassizistischer Architektur und Malerei
Für die Architektur bedeutet diese Hinwendung zur Antike einen Bruch mit barockem Prunk und eine Rückbesinnung auf schlichte, klare, mitunter auch kühle und strenge Formen. Die Basis bilden einfache geometrische Formen wie Kreise, Dreiecke oder Quadrate. Die zahlreichen Säulen und Säulengänge gehören zu den auffälligsten Stilelementen klassizistischer Architektur, mit dem man bewusst den griechischen Tempelbau imitiert. Zu den bedeutendsten deutschen Vertretern des Klassizismus zählen Karl Friedrich Schinkel, der vor allem in Berlin wirkt, und Leo Klenze, zu dessen bekanntesten Bauwerken die Münchner Glyptothek gehört.
In der Malerei dominiert die Linienführung über die Farbe. Einfache, deutliche Linien sollen Klarheit, aber auch eine gewisse rationale Strenge zum Ausdruck bringen. Beliebte Motive sind Historienbilder und Porträts, aber auch Szenen aus der antiken Mythologie, die meist in bühnenhaften Arrangements dargestellt werden. Auch die klassizistische Architektur findet sich in der Malerei wieder. Mit Joseph-Marie Vien, Jaques-Louis David und Jean-Auguste Dominique Ingres (u.a.) ist zunächst vor allem Frankreich die Hochburg der klassizistischen Malerei. Als bekanntestes klassizistisches Gemälde eines deutschen Malers darf Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins Goethe in der Campagna gelten.
Literatur: Weimarer Klassik
Der Klassizismus wird von 1786 bis 1805 von der Literaturepoche der Weimarer Klassik begleitet. Den Auftakt bildet Johann Wolfgang von Goethes erste Italienreise im Jahr 1786. Die anfängliche Begeisterung deutscher Literaten für die Französische Revolution schlägt spätestens mit der Jakobinerherrschaft in offene Ablehnung um. War für den Sturm und Drang noch der Emanzipationskampf des Bürgertums programmbildend, streben die Klassiker nun nach einer Versöhnung von Adel und Bürgertum. Den Ausweg aus der Grausamkeit der Revolution sieht man in einer langsamen Veränderung, nämlich in der ästhetischen Erziehung des Menschen zur Vollkommenheit, in der Bändigung der Triebe, und im Ausgleich von Empfindsamkeit und Rationalität. Goethes Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre gibt den Ton an: Der Bildungsweg dauert ewig fort, Selbstverwirklichung ist nur als Kompromiss zwischen Adel und Bürgertum möglich.
Wie schon in Architektur und Kunst gilt die Antike auch den Schriftstellern der Klassik als Ideal. Dramen erfreuen sich großer Beliebtheit und enthalten antike Elemente wie Chor oder Monolog. Typische Themen sind etwa das Scheitern des Genies an den Normvorgaben der Gesellschaft sowie die Humanität als Lösung aller Probleme. In Goethes Iphigenie auf Tauris wird diese Humanität gleichsam personifiziert – die Figur der Iphigenie verkörpert das klassische Ideal der Versöhnung durch ein Streben nach Schönheit und Menschlichkeit. Friedrich Schiller distanziert sich wie sein enger Freund Goethe vom bürgerlichen Trauerspiel und widmet sich in seinen zahlreichen Dramen (darunter Maria Stuart und Don Carlos) vielmehr der Aristokratisierung bürgerlicher Inhalte.
Gegensätze zur Romantik
Das Ideal einer Erziehung des Menschen zur „Schönen Seele“ mithilfe der Kunst scheitert nicht zuletzt daran, dass sich die klassische Literatur an eine gebildete Elite richtet und nur von einer kleinen Schicht des Bildungsbürgertums gelesen wird. Hinzu kommt, dass die Klassik mit dem angehenden 19. Jahrhundert von der Romantik abgelöst wird, die eine radikal andere Weltsicht propagiert. Die Romantiker setzen der Sachlichkeit und Rationalität der Klassik eine ausgelassene Fantasie und Gefühlsbetontheit gegenüber. Das Mittelalter löst die Antike als Sehnsuchtszeit und Goldenes Zeitalter ab.