
Am Lorelei-Felsen bei Bonn am Rhein saß einst eine Jungfrau mit goldenem Haar, die sang so lieblich, dass alle Schiffer und Fährleute, die sie hörten, so in ihren Bann gerieten, dass sie nicht mehr auf ihre Schiffe und Boote achteten. Sie zerschellten an dem Felsen, auf dem die Jungfrau saß und sang, und fanden so den nassen Tod.
Ich weiß nicht was soll es bedeuten…
Die Sage von der Lorelei ist mit die berühmteste, die es im deutschsprachigen Raum gibt. Die ersten Zeilen des Gedichtes von Heinrich Heine zählen seit seiner Entstehung im Jahr 1824 zu den bekanntesten Werken unseres Kulturgutes. Was aber genau ist eine Sage? Was unterscheidet sie von einem Märchen oder einer Fabel? Wie ist sie aufgebaut, und um was dreht sich ihr Inhalt?
Die Entstehung von Sagen
Sagen sind mündlich überliefert und haben einen wahren Kern. In alten Zeiten, in denen es kein elektrisches Licht und keine Unterhaltungselektronik gab, saßen die Menschen abends bei Kerzenschein zusammen und erzählten sich Geschichten. Diese Geschichten gründeten oft auf einem Ereignis, das tatsächlich stattgefunden hat, so rankten sie sich beispielsweise oft um die Entstehung von Städten, um einen Zwist zwischen zwei verfeindeten Parteien, und nicht selten von Fabelwesen und Gestalten, die bei Nebel im Wald ihr Unwesen trieben. Wer schon einmal in einer nebligen Nacht im Wald war, der kann sich vorstellen, wie schnell ein krummer Ast wie ein knorriges Männchen aussieht, oder ein flüchtiger Schatten einem merkwürdig geformten Felsen ein riesenhaftes Aussehen beschert…) Die Menschen schmückten diese Geschichten aus, sie wurden von Generation zu Generation überliefert, jeder Erzähler fügte seine eigenen Details hinzu, um die Geschichte noch weiter auszuschmücken und noch spannender zu gestalten. Die Sage war geschaffen.
Die Gebrüder Grimm
Nicht nur Märchen haben Jakob und Wilhelm Grimm aufgeschrieben und in einem Werk gesammelt. Sie zeichnen auch dafür verantwortlich, dass die seit jeher mündlich überlieferten Sagen Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts gesammelt und aufgeschrieben wurden. Das ist eine beachtliche Leistung, nachdem die Sagen seit hunderten von Jahren nur erzählt, nie aber niedergeschrieben wurden. In ihrem Werk „Deutsche Sagen“ finden sich hunderte von Sagen aus über 1500 Jahren mündlich überlieferter Geschichte.
Helden, Burgen, Götter
Ein wesentliches Merkmal der Sage ist es, dass sie historisch nachvollziehbare Ereignisse, Personen oder Orte beschreibt, die es tatsächlich gab. Die Stadt Hameln gab und gibt immer noch, und sicherlich gab es dort zu Zeiten einer nicht vorhandenen Kanalisation auch viele Ratten und mit Sicherheit auch einmal einen Rattenfänger, der sehr erfolgreich gearbeitet hat. Man unterscheidet zwischen unterschiedlichen Haupt-Themengebieten: Heldensagen erzählen Geschichten von großen Helden vergangener Zeiten, wie zum Beispiel Siegfried der Drachentöter. Volkssagen beschäftigen sich mit lokalen Ereignissen oder übernatürlichen Wesen, die darin ihr Unwesen treiben. Die Göttersagen beschreiben Ereignisse aus der Antike und ranken sich um Götter wie Zeus und Hades oder um Kriege und Kämpfer (Achilles und der Trojanische Krieg).
Der Aufbau einer Sage
Wie in jeder guten Geschichte, deren Erzähler sein Publikum fesseln will (wir erinnern uns: die ganze Familie ist bei Kerzenschein versammelt) beginnt die typische Sage mit einer Einleitung, die den Grund für die nachfolgende Geschichte liefert („In der alten Zeit gab es in Hameln eine übermächtige Rattenplage“). Es folgt ein Hauptteil, in dem der Spannungsbogen aufgebaut wird und die eigentliche Geschichte erzählt wird („Der Rattenfänger nahm seine Flöte und setzte sie an den Mund. Er fing an zu spielen, und alle Ratten folgten ihm aus der Stadt hinaus. Aber der Rattenfänger …) . Abgerundet wird die Sage im Schluss mit einem Bezug zur Gegenwart („Noch heute heißt die Straße Bungelosenstraße, denn seit die Kinder aus der Stadt verschwanden dufte dort nicht mehr musiziert werden; „bungelos – ohne Trommel“).
Moderne Sagen
Die Sage ist noch längst nicht ausgestorben. Auch wenn wir heute nur noch selten im Kreis der Familie zusammensitzen, so liegt es doch in der menschlichen Natur, Geschichten zu erzählen und zu verbreiten. Dies geschieht mittlerweile über Soziale Netzwerke, Nachrichtendienste oder E-Mail und wird oft als „Hoax“ (englisch: „Scherz“) oder „Urban Legend“ bezeichnet. Es handelt sich aber heutzutage dabei um Falschmeldungen, Kettenbriefe oder Aufrufe, eine bestimmte Information unbedingt weiterzuverbreiten, weil sonst etwas schlimmes geschieht.
Sagenhafte Beispiele
- Das Nibelungenlied um Siegfried den Drachentöter
- Die Sage um Rübezahl, einen schlecht gelaunten Berggeist
- Achilles und Hektor und der Trojanische Krieg
- Der Rattenfänger von Hameln
- Der Mäuseturm von Bingen
- und viele mehr
Zusammenfassung
- Sagen wurden mündlich überliefert
- Sie haben einen wahren Kern und beziehen sich auf Menschen, Ereignisse oder Orte, die es tatsächlich gibt oder gab
- Auch wenn sich Orte, Ereignisse oder Personen nachvollziehen lassen: Sagen sind erfundene Geschichten, die sich im Laufe der Jahrhunderte der mündlichen Überlieferung verändert und erweitert haben
- Oft kommen in Sagen übernatürliche Wesen mit übernatürlichen Kräften vor
- Man unterscheidet zwischen Heldensagen, Göttersagen und Örtlichen Sagen
- Moderne Sagen werden als „Hoax“ oder „Urban Legends“ bezeichnet