Wortstamm ganz einfach erklärt: Beispiele & Bedeutung

Im Deutschen werden verschiedene Wörter, die ähnliche Stamm-Morpheme (die kleinste sinngebende Einheit in der Linguistik) aufweisen, in Wortfamilien eingeteilt. Ähnliche Stamm-Morpheme meint, dass die Wörter Bezug auf denselben Wortstamm nehmen und sich einen Ursprung teilen. Es ist aber zu betonen, dass Worte zwar demselben Ursprung entstammen oder sich ein Stamm-Morphem teilen können, obwohl sie eine unterschiedliche Bedeutung haben. Eine gemeinsame Bedeutungsbeziehung ist demnach kein Kriterium, damit Wörter in eine Wortfamilie eingeteilt werden.

Um das Prinzip der Wortfamilie (andere Bezeichnungen wären Wortsippe oder Lexemverband) zu erläutern, eignen sich Beispiele am besten. Das Wort far ist germanischen Ursprungs, im Altdeutschen hieß es Faran, wurde im Mittelhochdeutschen zu Varan umgeändert und ist im Neuhochdeutschen als Fahren bekannt. Wortstamm, bzw. Stamm-Morphem wäre heutzutage also Fahr. Zu einer Wortfamilie würden demnach folgende Wörter gehören:

fahren, Fahrer, fahrend, Gefahr, gefährlich, Gefährdung, Fähre, Fuhre, führen, Führer, Erfahrung, erfahren, Abfahrt, Vorfahrt, Einfahrt, Vorfahre, Nachfahre, usw.

Diese Auflistung würde sich beliebig weiterführen lassen. Im gewählten Beispiel ist klar ersichtlich, dass sich sämtliche Wörter vom selben Ursprung far ableiten lassen. Ebenfalls ersichtlich ist, dass die genannten Begriffe keine übereinstimmende Bedeutungsbeziehung zueinander haben. Sie nehmen Bezug auf den gleichen Wortstamm, können von der Bedeutung her aber variieren. Dennoch gehören sie wegen des gemeinsamen Bezugs auf das Ursprungswort zu einer Wortfamilie. Die größten Wortfamilien im Deutschen zählen mehr als 1000 Worte. Ein anderes Beispiel ist das Stamm-Morphem geh:

gehen, entgehen, vorgehen, umgehen, abgehen, zugehen, vergehen, zergehen, draufgehen, übergehen, usw.

Im Gegensatz zum ersten Beispiel ist in diesem Fall der Wortstamm identisch und nicht der Ursprung. Eine Wortfamilie kann eindeutig sein, muss es aber nicht, wie das erste Beispiel aufgezeigt hat. Es ist möglich, dass lediglich der etymologische Zusammenhang gegeben ist (Anzug, Zucht, Erziehung; allesamt vom Wort ziehen).

Am Rande: Im Grundschulunterricht werden Wortfamilien häufig falsch gelehrt. Aus Gründen der Einfachheit werden Worte in Wortfamilien geordnet, die sowohl einen ähnlichen Stamm, einen ähnlichen Ursprung und eine ähnliche Bedeutung haben. Die im ersten Beispiel genannten Wörter Fahrer und Nachfahr würden aufgrund ihrer unterschiedlichen Bedeutung nicht derselben Wortfamilie zugezählt werden.

Unterscheidung zwischen Wortfamilie und Wortfeld

Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen Wortfamilie und Wortfeld. Das Wortfeld sortiert die Wörter nach einem anderen Kriterium als die Wortfamilie: die Bedeutungsebene. In Wortfeldern werden Wörter zusammengefasst, die eine zwar nicht identische, dafür aber sehr ähnliche Bedeutung haben.

Als Beispiel kann wieder das Verb fahren herangezogen werden. Das Wortfeld von fahren umfasst Worte, die dasselbe auszudrücken versuchen wie das Verb selbst. Dabei müssen sie derselben Wortart angehören (in diesem Fall also Verben sein). Wortstamm und Ursprung sind dabei irrelevant. Ein Beispiel wäre:

pendeln, gondeln, gurken, fliegen, paddeln, rollen, düsen, tuckern, schleichen, rasen, usw.

Auch in diesem Fall ist das Wortfeld beliebig erweiterbar. Deutlich abzulesen ist der Unterschied zum Beispiel für die Wortfamilie. Im Fokus der Kategorie Wortfeld steht eindeutig die Bedeutungsebene. Wichtig ist, dass die Wörter etwas ähnliches bezeichnen, im Gegensatz zur Wortfamilie, wo etymologische Beziehung und das Stamm-Morphem eine tragende Rolle spielen. Ein weiteres Kriterium für das Wortfeld ist, dass es sich um die selbe Wortart handeln muss. Es können nur Verben mit Verben, Nomen mit Nomen, usw. in ein Wortfeld eingeordnet werden.

Kurzer Überblick über die wichtigsten Kriterien der Wortfamilie

Wortfamilien sammeln Wörter, die den selben Bezug zu einem Ursprungswort aufweisen und einen ähnliches Stamm-Morphem ausweisen. Die Bedeutung der verschiedenen Worte ist dabei nicht von Interesse.

Damit grenzt sich die Wortfamilie vom Wortfeld ab. Das Wortfeld sammelt alle Wörter, die eine ähnliche Bedeutung haben und somit eine semantische Beziehung aufweisen. Zusätzlich müssen diese Wörter zu einer Wortart gehören.

Auch wenn die Begriffe Wortfamilie und Wortfeld im Arbeitsumfeld der Grundschule miteinander vermischt werden, ist zumindest aus sprachwissenschaftlicher Sicht eine deutliche Unterscheidung der beiden Begriffe notwendig.

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