Die Umgebungsbeschreibung verleiht deiner Geschichte den gewissen Pfiff. Sie ist nicht nur der Ort, an dem sich alles abspielt; nein, ohne die detaillierte Vorstellung der Umgebung wäre die Geschichte lahm und grau. Es besteht ein großer Unterschied zwischen einer Küche und einer Wohnküche oder einem Wald und einem Nebelwald.
Die Ortsbeschreibung zieht deine Leser in die Umgebung hinein. Mit der Beschreibung des Umfeldes lockst du dein Gegenüber quasi aufs Spielfeld. Die Informationen sollten dabei gezielt gestreut werden. Wenn es nahe eines Brandherdes heiß wird, kommt der Leser ins Schwitzen. Sollte es wie aus Eimern schütten, fühlt sich der Leser im besten Fall klitschnass. Und wenn es im Wald nach Pilzen duftet, dann steigt Appetit in ihm auf. Kurz: die richtigen Worte stehen nicht einfach auf dem Papier, sondern bewirken etwas beim Leser. Er fühlt quasi das Gleiche wie die Romanfigur.
Doch Vorsicht: Zu viel des Guten ist auch nicht gut. Detaillierte Ortsbeschreibungen füllen eine Geschichte mit Farbe, zu viele Informationen ermüden und langweilen den Leser. Am besten beschreibst du nur, was für die momentane Gefühlslage oder den Fortschritt der Geschichte wichtig ist. Mit ein bisschen Geschick lässt sich die Gefühlslage sogar anhand der Ortsbeschreibung verdeutlichen und Allgemeinplätze wie „Er fühlte sich einsam“ können entfallen.
Was ist zu viel?
Der Leser will und muss nicht alles wissen. Der Autor hat seine Vorstellung. Im Kopf hat er bereits alles angelegt, genauso wie er es haben will. Er kennt die Farben, die Gerüche, die Windstärke und so weiter. Doch der Leser wird sich niemals dasselbe Bild vorstellen, egal wie viele Details der Autor schildert. Er hat seine eigene Vorstellung von Tischen, Wäldern und Kleidung, Städten und Feldern. Jeder assoziiert mit den gleichen Begriffen etwas anderes. Der Leser möchte auch gar nicht so genau eingeführt werden.
Er möchte seine eigene Vorstellungskraft behalten und nicht belehrt werden. Bei der Beschreibung eines Tisches genügt es, das Material zu benennen, aus dem das Möbelstück besteht und vielleicht noch die Farbe zu definieren. Die genauen Abmessungen braucht kein Mensch, es sei denn sie sind relevant für den Verlauf der Geschichte.
Muss dein Leser genau wissen, dass Paul durch einen Wald wandert, in dem Eichen, Tannen und Buchen stehen, die sich gegenseitig fast berühren? Oder dass alle Laubbäume gerade rote und gelbe Blätter tragen, die bald abfallen werden? Oder muss jeder wissen, wie hoch die Luftfeuchtigkeit im Wald ist? Nein. Nur wenn es für die Geschichte wichtig ist, dass Herbst ist, dürfen solche Details nicht fehlen. Und selbst dann müssen sie nicht nur aufgezählt werden, sondern können gekonnt in die Beschreibung einfließen.
Paul könnte durch den Wald wandern und stört sich immer wieder daran, dass er über Wurzeln stolpert, weil er diese durch das frisch abgefallene Laub einfach nicht sieht. Der Leser möchte nicht genau wissen, in welchen Grautönen die Steine gesprenkelt sich, er will sich selbst ein Bild machen. Zu viele Details in Beschreibungen lassen den Leser gähnen und er wird das Buch in die Ecke pfeffern. Die einzige Rechtfertigung einer langen und endlosen Ortsbeschreibung besteht darin, den Leser nach einer aufwühlenden und spannenden Szene wieder zur Besinnung kommen zu lassen.
Zusammenfassung: Was ist zu viel?
- Der Leser muss nicht alles wissen. Beschränkung auf Wesentliches.
- Ein treffendes Wort sagt mehr als tausend unnütze Beschreibungen.
- Verwirre den Leser nicht mit Details.
- Kurz und knackig, aber nie zu wenig.
Was ist zu wenig?
Was im Schauspiel die Bühne ist, das ist im Roman die Ortsbeschreibung. Ohne ein passendes Bühnenbild kann keine spannende Szene entstehen. Eine Bühne ohne jegliche Dekoration befördert den Leser in eine raumlose Blase, die zeitlos im Kosmos schwebt. Die Handlung könnte an jedem erdenklichen null-acht-fünfzehn-Ort stattfinden. Wenn der Leser nicht weiß, wo er sich befindet, dann ist es definitiv zu wenig und es wird Zeit, sich Gedanken über die Umgebungsbeschreibung zu machen. Der Leser kann sich zwar auch ein eigenes Setting ausdenken, aber dann wird der Endkampf möglicherweise im Keller eines Wohnhauses stattfinden statt in der verlassenen Drachenhöhle. Oder Paul spaziert durch öde Maisfelder statt durch einen Lärchenwald. Wichtig ist, dass der Autor selbst ein genaues Bild vor Augen hat, sonst kann er den Leser nicht führen. Dazu sind ein paar einfache Fragen hilfreich.
Zusammenfassung: Was ist zu wenig?
- Nie zu wenig Dekoration. Der Leser muss wissen, wo er sich befindet.
- Darauf achten, dass der Ort nicht x-beliebig gewählt sein kann.
- Den Leser sanft zur Bühne lenken.
- Der Autor braucht ein genaues Bild.
Zu viel oder zu wenig – Leitfragen
- Wo befindet sich die Figur?
- Wann besucht er diesen Ort?
- Wie sieht es dort aus?
- Wer ist noch anwesend? Oder was gibt es dort noch zu sehen?
- Was ist wichtig? Treibt es die Geschichte voran?
Immer zeigen – nie beschreiben
Die Kunst des Schreibens liegt darin, dem Leser etwas zu zeigen. Am besten verpackt man die Informationen so, dass der Leser gar nicht merkt, dass er gerade eine Umgebungsbeschreibung liest. Paul soll beispielsweise pünktlich zu einem Termin erscheinen. Der Autor möchte aber, dass er einen schlechten, ja miesen Eindruck hinterlässt. Dazu könnte er die Bahn verpassen, von einem Autofahrer nassgespritzt werden und völlig verdreckt bei seinem Termin ankommen. Der Schreiber hat nun mehrere Möglichkeiten, dem Leser dies zu vermitteln.
1. Beschreiben:
Paul hatte es eilig. Er verpasste die Bahn und musste zur nächsten Station laufen. Dabei wurde er auch noch von einem Autofahrer nassgespritzt. Er kam viel zu spät und hatte keine Zeit sich umzuziehen.
2. Erklären:
Paul fuhr die Bahn vor der Nase davon. Mist. Er musste wohl über das rutschige Kopfsteinpflaster die Strecke laufen. Doch nicht genug des Übels. Er sah die riesige Pfütze lange vor dem Autofahrer. Aber beide konnten nicht mehr ausweichen, schon war Paul von Kopf bis Fuß voller dreckiger Brühe.
3. Nicht beschreiben, nicht erklären – Zeigen heißt das Zauberwort:
Paul rannte mit den Beinen in der Hand zur Haltestelle. Völlig außer Puste blieb ihm am Ende aber nur noch, wütend gegen die verschlossene Tür zu klopfen. Die Bahn fuhr auf und davon – ohne ihn. Da musste er sich den Weg über das rutschige Kopfsteinpflaster bahnen und zu Fuß gehen. Wenn er doch bloß nicht so nah an der Straße gelaufen wäre. Dann hätte ihn nicht zu allem Überfluss auch noch der Autofahrer von oben bis unten nassgespritzt. Wäre es wenigstens bloß Wasser gewesen, aber nein, die braune Brühe stand ihm bis zum Hals. So konnte er unmöglich bei seinem Termin auftauchen. Doch zum Umziehen war es auch zu spät…
Das Wichtigste zuerst
Der erste Eindruck zählt. Das gilt auch für Ortsbeschreibungen. Der Leser muss jederzeit wissen, wo er sich befindet und wie es dort aussieht. Außerdem sollte er ein Gefühl für die Atmosphäre vor Ort entwickeln können. Wann immer wir einen neuen Ort betreten, nehmen wir ihn mit allen fünf Sinnen wahr. Der erste Eindruck entscheidet über Gefallen oder Abwehr. Man sieht nicht nur, sondern riecht, hört und fühlt seine Umgebung. Doch nochmals Vorsicht: Zu viel des Guten ist nicht gut. Verwende nur, was für die Gefühlslage der Figur oder für den Fortgang der Geschichte wichtig ist.
Kommt Paul beispielsweise gerade aus den Bergen und schaut von oben auf eine fremde Stadt. Welcher Eindruck überkommt ihn? Handelt es sich um eine große Stadt mit verwinkelten Gassen? Ragen die Spitzen von Hochhäusern über die Dächer? Vernebeln schwarze Rauchschwaden der Industrieschlöte den Ausblick? Beschreibe nur, was von oben betrachtet auch wirklich gesehen werden kann. Paul kann beispielsweise nicht erkennen, ob die Häuser Wasserschäden aufweisen oder ob die Altbauten unbewohnt sind, wie der Bäcker heißt oder ob es einen Metzger gibt.
Erst wenn er näher nach unten kommt, entdeckt er mehr Details. Dann nimmt er Gerüche aus den Gullis wahr, oder es duftet nach frischen Brötchen, vielleicht ist es laut, weil gerade Markttag ist. Füttere den Leser langsam und behutsam mit Informationen und klatsche nicht alles sofort auf den Tisch.
Umgebung beschreiben – ein wunderbares Werkzeug
Gezielt angewendet hat man mit der Umgebungsbeschreibung ein vielseitiges Werkzeug an der Hand, das so manche schwermütige Stelle in einem Roman auflockern kann. Gemütliche und gefühlsbetonte Szenen lassen sich etwas auflockern, ebenso wie ellenlange Dialoge, bei denen man schon fast nicht mehr weiß, wer gerade spricht. Paul sitzt vielleicht etwas verlegen neben seiner Freundin und ihm fehlen die Worte. Um seine Betretenheit zu verbergen, könnte er von dem vorbeilaufenden Entenpaar berichten und wer weiß, vielleicht füttert er mit seiner neuen Flamme die Küken? Auch ein langes Telefonat lässt sich geschickt durchbrechen, indem man zeigt, wie Paul versucht, einhändig nebenbei einen Tee zu kochen.
Actiongeladene Szenen lassen sich etwas verlangsamen, indem man versucht, den Kampf mit einer Beschreibung noch etwas hinauszuzögern. Vielleicht hat der Angreifer eine besondere Gravur in seinem Messergriff, die eine Bedeutung hat. Oder auf der Flucht stolpert jemand über Steine, fällt eine Böschung hinunter oder bricht sich den Fuß.
Die Umgebung ist sehr wichtig, um die richtige Stimmung zu erzeugen. Dosiert eingesetzt untermalt sie die Geschichte und kann sogar Charaktereigenschaften des Protagonisten verdeutlichen, ohne über die Figur selbst zu schreiben.
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