Die zwei Gesellen – Beispiel Gedichtanalyse/Interpretation

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Die zwei Gesellen - Beispiel Gedichtanalyse

Es ist nicht immer einfach, sich mit Gedichten auseinanderzusetzen und diese dann auch zu verstehen. „Die zwei Gesellen“ ist ein Gedicht, das vergleichsweise einfach zu verstehen ist und durch seine volkssprachliche Sprache überzeugt.

Worum geht es in dem Gedicht?

Wer das Gedicht „Die zwei Gesellen“ von Joseph von Eichendorff das erste Mal liest, der mag Themen wie Lebenslust, Fernweh oder auch ein Gefühl als wäre man gescheitert damit verbinden. Es handelt sich dabei um ein Gedicht der Romantik, das zeigt, wie unterschiedlich die Leben von zwei Gesellen verlaufen. Durch die Bitte an Gott, alle in sein Reich aufzunehmen, zeigt Eichendorff, dass keiner der Wege besser oder schlechter ist als der andere.
In der ersten und der zweiten Strophe wird von zwei Gesellen erzählt. Gemeinsam begeben sie sich im Frühling auf eine Reise. Sie wollen große Ziele erreichen und nützliche Dinge schaffen, obwohl sie sich der Schwierigkeiten ihrer Reise bewusst sind.

Im Laufe der Zeit trennen sich die Wege der beiden. Einer wird sesshaft, weil er sich verliebt hat. Der andere Geselle dagegen erliegt den Versuchungen, die die Welt für ihn bereithält. Er scheitert daran, sein Leben zu leben, wie in der vierten und fünften Strophe zu lesen ist. Ein lyrisches Ich bittet in der sechsten Strophe Gott, alle richtig zu lenken und am Ende zu ihm zu führen.

Jede Strophe besteht aus fünf Versen, sodass ein harmonischen Gesamtbild entsteht. Durch das kohärent bleibende Reimschema wird das noch zusätzlich ergänzt. Auf sprachlicher Ebene ist das Gedicht sehr volkstümlich gehalten, sodass der Inhalt leicht verständlich ist.

Die ausführliche Analyse des Gedichts

Betrachtet man die Stimmung, in der ersten Strophe, fällt auf, dass eine positive Stimmung davon ausgeht. Der im ersten Vers erwähnte „rüstige Geselle“ (V.1) soll in dem Leser eine Assoziation zum Sammeln von Lebenserfahrungen erwecken. Dabei handelt es sich um ein ganz typisches Motiv der Romantik. Viele Dichter dieser Zeit nutzen dieses Motiv, um den Selbstfindungsprozess ausdrücken zu können. Betrachtet man die Zeilensprünge von Zeile 1 bis 2 oder von 4 bis 5, wird eine Lebendigkeit und Bewegung wahrgenommen. Diese Gefühle passen auch perfekt zum Thema des Aufbruchs und der Veränderung, worin es in den Versen geht. Durch unterschiedliche helle Vokale und Adjektive wie „helle, klingenden, singenden Wellen“ (V.4-5) wird dieser Eindruck noch weiter unterstrichen. Der Frühling wird in diesem Kontext als eine Zeit des Neubeginns und des Erwachens gewertet.

Es wird mit einer Personifikation gearbeitet, die als Metapher benutzt wird. Durch diese Darstellung wird weiter verdeutlicht, dass es sich um die erste Reise der Gesellen handelt. Durch die Anapher „Die strebten nach hohen Dingen, Die wollten <…>“ (V.6-7) wird eine Distanz geschaffen. Trotzdem wird aber auch der Wille nach großen Taten deutlich. Dem Leser wird deutlich gemacht, dass die beiden Gesellen sich der Risiken dieser Reise bewusst sind. Das passiert durch die Antithese „trotz Lust und trotz Schmerz“ (V.7). Durch die Verse „und wem sie vorübergingen, dem lachten Sinnen und Herz“ wird deutlich, dass die beiden Gesellen für alle, die sie treffen, ein Gewinn sind. Die Formulierung wirkt aufgrund der Personifikation besonders stark.

Mit der dritten Strophe beginnt auch ein neuer Sinnabschnitt. Es wird das Schicksal des ersten Gesellen in den Fokus gerückt. Verniedlichungen wie „Liebchen“ (V.11), „Bübchen“ (V.13) oder auch „Stübchen“ (V.14) lassen es eher unschuldig und naiv wirken. Anders als das ursprüngliche Ziel der Gesellen. Dieser Umstand wird noch weiter dadurch verstärkt, dass der Wohlstand, den der Geselle erreicht, nicht sein eigener Verdienst ist. Einzig der Großzügigkeit seiner Schwiegermutter hat er diesen Wohlstand zu verdanken. Zu sehen ist das in dem Vers „Die Schwieger kauft‘ Hof und Haus“ (V.12). Es scheint aber nicht so, als würde es den Gesellen stören. Er wirkt zufrieden damit und scheint seine Ziele schon ganz vergessen zu haben. Deutlich wird das in den Versen „Und sah <…> behaglich ins Feld hinaus“ (V.14-15).

Durch die daraufhin folgende Beschreibung des Weges des zweiten Gesellen zeigt deutlich, dass es sich bei den zwei Gesellen um sehr unterschiedliche Charaktere handelt.

Es heißt, er sei verführerischen und heuchlerischen „Stimmen im Grund“ (V.17) ausgesetzt. Aber auch körperlicher Verführung soll der zweite Geselle erliegen. Deutlich wird das durch die Erwähnung der „verlockend‘ Sirenen“ (V.18). Unfähig, diesen zu widerstehen, versinkt der Geselle mit all seinen Sinnen in einem „farbig klingenden Schlund“ (V.20). Der Gebrauch aller Sinne, die sich der Lust hingeben, wird durch die Synästhesie betont. Erweitert wird das durch ausdrucksstarke Worte. Beispiele dafür wären „logen“ (V.16), „Grund“ (V.17), „buhlenden Wogen“ (V.19) oder auch „Schlund“ (V.20). Dadurch wird eine gruselige Stimmung erzeugt, die auch den Leser beim Lesen des Gedichts trifft. Durch die drei Enjambements wird das Lesetempo automatisch erhöht, dementsprechend wird das Bild eines Schiffes auf stürmischer See erzeugt.

Die nächste Strophe greift den „Schlunde“ (V.21), in dem der Geselle versinkt, auf. Dadurch wird die Verbindung zwischen den Strophen unterstützt. Es scheint so, als würde der Geselle plötzlich von seinem Leben erwachen. Das Leben hat ihn gezeichnet. Sein Erscheinungsbild wird als „müde und alt“ (V.22) beschrieben. Das Adjektiv alt bezieht sich dabei allerdings nicht auf sein tatsächliches Alter, sondern viel mehr darauf, dass er erschöpft ist und das Leben ihn verbraucht hat. Es wirkt so, als sei er an einem Punkt in seinem Leben, an dem es für ihn keine Zukunft mehr gibt. Deutlich gemacht wird es durch den Vers „Sein Schifflein das lag im Grunde“ (V.23). Erneut wird das Bild eines Schiffes aufgegriffen. Die Stimmung überträgt das gescheiterte Leben des Gesellen. Es wirkt kalt und hoffnungslos. Der Eindruck, dass dem Gesellen jegliche Perspektive fehlt, wird deutlich.

Mit dem Ende wird gleichzeitig auch ein neuer Sinnabschnitt gebildet. Der Wechsel der Zeitform, statt Präteritum nun Präsens, und die plötzliche Erscheinung eines lyrischen Ichs zeigen das. Metaphern zum Thema Schiff und Meer bleiben aber trotzdem vorhanden, wie beispielsweise „singen und klingen die Wellen“ (V.26) zu erkennen ist. Dadurch wird eine Brücke zu den vorherigen Strophen geschlagen. Es ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis das lyrische Ich zu den Geschehen steht. Allerdings lässt es sich vermuten, dass das lyrische Ich einer der beiden Gesellen selber ist. Grund dafür sind die Verse „Und sehe ich so kecke Gesellen, Die Tränen im Auge mir schwellen“ (V.28-29). Die Verse klingen sehr melancholisch, was zu den Gesellen passen würde, die sich an ihre eigene Anfangszeit erinnern und ihren Zielen, die sie nie erreicht haben, hinterher trauern.

Durch Gott scheint das lyrische Ich seinen Trost zu finden. Bedenkt man, dass Eichendorff selbst in einer sehr katholischen Familie aufgewachsen ist, scheint es fast natürlich, dass das lyrische Ich diese Gottesverbundenheit besitzt. Anhand des Inhalts ist zu vermuten, dass Eichendorff mit dem Gedicht die Beziehung zu seinem Bruder aufarbeiten möchte.

Auch die beiden sind im Laufe der Zeit getrennte Wege gegangen, obwohl sie vorher ihr ganzes Leben über zusammen waren. Unabhängig davon, welchen Weg man selbst aber einschlägt, das lyrische Ich setzt darauf, dass Gott schlussendlich alle zu sich führen wird. Dadurch wird ein für die Romantik typisches Motiv, das Motiv des Todes, aufgegriffen. Charakteristisch dafür ist, dass dem Tod nicht mit Furcht begegnet wird, was auch in diesem Gedicht der Fall zu sein scheint. Viel mehr sieht es so aus, als würde Eichendorff den Tod als etwas sehen, wo alle, unabhängig von ihren Wegen, wieder zusammengeführt werden. Dadurch hat es einen erlösenden Charakter.

Das Fazit – Die eigene Einschätzung

Jedem müsste das Gefühl bekannt sein, wenn sich die Wege von einem selbst und einer bekannten Person trennen. Es scheint aber fast, als seien wir in unserer Gesellschaft diesbezüglich schon abgebrüht. Beziehungen werden einfach weggeschmissen, über Portale wie Tinder, Bumble oder Lovoo lässt sich schnell jemand Neues finden. Natürlich sollte man auch nicht den alten Zeiten nachtrauern, wie es das lyrische Ich tut. Es ist viel mehr wichtig, ein Gleichgewicht zwischen beidem zu finden. Trennungen können wichtig für die persönliche Entwicklung sein, sie sollten aber auch nicht hingenommen werden, als seien sie ganz einfach auszutauschen. Ob man es dem lyrischen Ich gleichtun möchte und sich dabei an Gott hält, in der Hoffnung, verlorene Bekannte wiederzufinden, ist etwas, das persönlich entschieden werden muss. Gerade in diesem Zusammenhang gibt es wohl keine richtige Antwort. Religion kann ein guter Trost sein, besonders, wenn man in einer ähnlichen Melancholie steckt, wie das lyrische Ich. In so einem Fall kann Religion sogar ein Rettungsanker sein, der dabei hilft, über sich selbst hinauszuwachsen und seine Probleme am Schopf zu packen.

Die Darstellungsweisen in dem Gedicht finde ich sehr passend. Die Art, wie gezeigt wird, dass zwei Menschen, die von einem gleichen Punkt aus starten, ganz unterschiedliche Schicksale ereilen kann, finde ich spannend. Dabei wirkt nichts in irgendeiner Art übertrieben. Eher scheint es so, als würde Eichendorff gut und respektvoll mit dem Thema umgehen.

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