Neue Liebe neues Leben – Beispiel Gedichtanalyse / Interpretation

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Neue Liebe neues Leben

Herz, mein Herz, was soll das geben?
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes, neues Leben!
Ich erkenne dich nicht mehr.
Weg ist alles was du liebtest,
Weg, warum du dich betrübtest,
Weg dein Fleiß und deine Ruh –
Ach, wie kamst du nur dazu!

Fesselt dich die Jugendblüte,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu und Güte
Mit unendlicher Gewalt?
Will ich rasch mich ihr entziehen,
Mich ermannen, ihr entfliehen,
Führet mich im Augenblick,
Ach, mein Weg zu ihr zurück.

Und an diesem Zauberfädchen,
Das sich nicht zerreißen lässt,
Hält das liebe lose Mädchen
Mich so wider Willen fest;
Muss in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise.
Die Veränderung, ach, wie groß!
Liebe! Liebe! Lass mich los!

Allgemeine Informationen und Einführung rund um das Gedicht „Neue Liebe, neues Leben“

Dieses Gedicht wurde in der Epoche der Geniezeit verfasst und um 1775 vom bis heute sehr bekannten Johann Wolfgang von Goethe geschrieben.
Es ist ein relativ langes Gedicht, welches zwar nur aus 3 Strophen dafür aber aus 24 Versen besteht.
Die Verse pro Strophe setzen sich dabei wie folgt zusammen: 1-8, 2-8 und 3-8.

In diesem wundervollen Gedicht von Goethe, geht es um seine Liebe zu Lilli Schönemann, die damalige Tochter eines reichen und erfolgreichen Bankiers.
Diese engte Goethe jedoch wider Willen sehr ein und genau dieses Gefühl verarbeitete er zum Teil auch in diesem Gedicht.
Das Gedicht besteht aus 3 Strophen mit 8 Versen und das gesamte Gedicht wurde im vierhebigen Trochäus geschrieben.
Während der ersten vier Strophen bemerkt der Leser, dass diese einen sogenannten Schweifreim mit dem Muster (abab) aufweisen.
Die vier darauffolgenden Verse wurden als Paarreim niedergeschrieben, wobei die sogenannten Kadenzen in allen der Strophen nach demselben Schema auftreten.
Bei diesem Gedicht bedeutet das, dass die jeweils ersten und dritten Verse weibliche, sowie die zweiten und vierten Verse männliche Kadenzen aufweisen.

Die Analyse der Strophen und Verse

In der ersten Strophe fallen dem Leser gleich zwei rhetorische Fragen in den ersten beiden Versen auf. Das Wort „Herz“ lässt bereits vermuten, dass dieses Gedicht vor allem von der Liebe erzählt und eben dieses Thema das zentrale Objekt der Betrachtung ist.
Um dies hervorzuheben trägt die Anapher „was“, sowie der parallele Aufbau rhetorischer Fragen bei.
Im zweiten Vers macht das Verb „bedrängen“ deutlich, dass das Herz des Dichters/Autors keinesfalls freudig gestimmt ist.
Der Autor (Johann Wolfgang von Goethe) spricht dabei sein Herz an und personifiziert dieses dadurch. Er stellt seinem eigenen Herzen sozusagen viele Fragen und im weiteren Verlauf folgt eine erste Aufklärung, für den Zustand in dem sich sein Herz befindet.
Gleich im darauffolgenden Vers bekommt der Leser den verstärkten Eindruck, dass das Herz „bedränget“ ist und sich der Autor auch genau so fühlt.

Es ist also vollkommen klar dass sich Johann Wolfgang von Goethe mit dem Ausdruck „Herz“ im ersten Vers, sich selbst damit meint.
Eigentlich müsste er sich die Fragen die er seinem Herzen stellt sich selbst stellen.
Im vierten Vers wird mit „ich erkenne dich nicht mehr“ nochmals deutlich unterstreicht, dass es eine deutliche Veränderung im Leben Goethes gab.
Diese Veränderung stürzte Goethe in innere Widersprüche und womöglich große Konflikte mit sich selbst.
Die restlichen Verse wurden allesamt im Präsens geschrieben, im Gegensatz dazu sind der fünfte und sechste Vers im Präteritum verfasst.
In diesen Absätzen handelt es sich um eine „Rückblende“, denn der Autor beschreibt was im Zusammenhang mit der neuen Liebe alles „weg“ ist.
In diesem Zusammenhang schrieb Goethe im sechsten Vers, dass „alles warum du dich betrübtest“ damit zusammenhängt. Selbst der „Fleiß“ und die „Ruh“ sind nun weg.

Es veränderte sich also Vieles für Goethe durch die neue Liebe und der Leser merkt, dass nun schlichtweg so ziemlich alles weg ist was Goethe zuvor noch hatte bzw. für ihn verloren ging.
Durch die neue Liebe verschwand nicht nur das materielle für ihn, sondern auch sein subjektives Gefühl für die Ruhe was ihm immer so wichtig war.
Sein Seufzer „Ach“ im achten Vers des Gedichts verdeutlicht, dass Johann Wolfgang von Goethe diesen Verlust sehr bedauert.
Des Weiteren wird durch das Ausrufezeichen im letzten Vers nochmals unterstrichen, dass es zugleich zu einem Vorwurf kommt.

Hierzu eine Erklärung zum biographischen Hintergrund des Johann Wolfgang von Goethe:

Als dieser im Jahre 1775 die Bankiers-Tochter Lilli Schönemann kennen und lieben lernte, verlobte er sich auch bald darauf mit ihr.
Dies hatte allerdings die Ablehnung der Beziehung durch beide Familienseiten nach sich gezogen.
Denn diese Liebe steht auch für die Verbindung zweier Personen unterschiedlicher Gesellschaften bzw. Schichten. Dadurch fühlte sich Goethe aber bald eingeengt und bereits nach einem halben Jahr löste Goethe die Verlobung wieder auf.
Der fünfte, sechste und siebte Vers bezieht sich deshalb auch auf Goethes altes Leben, welches sich durch die Bekanntschaft mit Lilli grundsätzlich veränderte.

Die Zusammenfassung des Gedichts

Der Titel des Gedichts fasst bereits die Kernaussage prägnant zusammen, denn es handelt sich hierbei eindeutig um eine Anapher und Alliteration.
Wer eine neue Liebe erfährt, der kommt zugleich auch in einen neuen Lebensabschnitt.
Und wie Goethe das so schön in diesem Gedicht beschreibt, erfordert dies auch eine gewisse Anpassung.
Sehr typisch für diese Zeit in der das Gedicht verfasst wurde, sind die Darstellungen und Erklärungen der Liebe durch die Bilder der Natur.
Die vielen Gedankenstriche, Ausrufe- und Fragezeichen sowie Kommas, lassen das gesamte Gedicht sehr lebendig wirken.
Für diese Epoche ebenfalls sehr typisch ist der gewisse Egoismus, deshalb schildert Goethe auch sein persönliches Dilemma und er drückt damit aus, dass er sich teils wie eine Marionette fühlt welche seiner übermächtigen Freundin ausgeliefert ist (ohne auch nur einmal auf ihre Gefühle einzugehen).

Die hauptsächlich dafür verwendeten und vorkommenden Stilmittel sind die Kadenz, Anapher, Hyperbel sowie Alliteration.

Wie man eine gelungene Gedichtanalyse für die Schule schreibt, haben wir in einem anderen Artikel sehr ausführlich zusammengefasst.

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