„Der Tanzbär“ von Lessing – Interpretation

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Der Tanzbär

Das Lehrgedicht „Der Tanzbär“ von Gotthold Ephraim Lessing ist in zwei Strophen geteilt. Die erste Strophe erzählt die Geschichte eines Tanzbären, der dressiert wurde nun aber zu seinen Artgenossen in den Wald zurückkehrt und dort mit seinen Künsten prahlt. Ein älterer Bär entlarvt das Gehabe des jungen Tanzbären jedoch und bezichtigt ihn, dass er sich ganz der Sklaverei, also der Gewalt, die ihm zu einem Tanzbären gemacht habe, angepasst habe. Das zeige seinen niederen Geist, auch wenn die Kunststücke, die er beherrsche wohl „rar“ und „schwer“ seien.

Daran schließt Lessing eine sehr direkte Hofkritik an. Er wendet sich gegen die Hofmänner, die ihren Ehrgeiz darauf verwenden mit Schmeichelei, List, Intrigen und falschen Komplimenten die Gunst des regierenden Fürsten zu erlangen. Dahingegen sind Verstand (Witz) und tugendhaftes Leben ebenso wie gehaltene Schwüre etwas, das diesen Männern fern ist.

Am Ende fragt das lyrische Ich „Schließt das Lob oder Tadel ein?“ Es wird also in Frage gestellt, ob es ein erstrebenswertes Ziel sei ein großer Hofmann zu werden. Die Abfolge der beiden Strophen, ebenso wie krasse Zeichnung des Hofmanns als verschlagenen Intriganten, gibt die Antwort auf diese Frage vor. Damit ist es weniger als kunstvolle Satire, denn als deftige Hofkritik zu qualifizieren. Der Tanzbär hat sich aus den Ketten entrisse (oder wurde entrissen, also vielleicht aus freigelassen) und ist zurück in seinem natürlichen Habitat.

Dort, wo seine Fähigkeiten nicht gefragt sind, weil sie in der Natur sinnlos erscheinen, versucht er mit ihnen zu prahlen. Das zeigt auch, dass die Fähigkeiten der Hofmänner in der realen Welt, oder in Lessings Fall der Philosophie und Wissenschaft, wenig Substanz haben. Die alten Bären entlarven es als Angeberei und sogar noch schlimmer, als Aufdeckung der Dummheit des Akteurs.

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