Möchte man Gedichte aus der Epoche der Trümmerliteratur verstehen und analysieren, so ist es zunächst einmal wichtig, sich mit der Epoche auseinanderzusetzen, in der diese Gedichte geschrieben wurden. Trümmerliteratur wird auch als Nachkriegsliteratur oder Kahlschlagliteratur bezeichnet und wurde in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen. Gedichte aus den Jahren zwischen 1945 und 1950 fallen in diese Kategorie.
Zeitgeschichtlichen Zusammenhang verstehen
Um Gedichte der Trümmerliteratur korrekt und detailreich zu analysieren, sollte man den Hintergrund verstehen, vor dem sie entstanden sind. Diese geschichtliche Kenntnis ist zum Verstehen von Gedichten aus jeder Epoche wichtig. Doch besonders bei der Trümmerliteratur sind die Gedichte von dem Weltbild beeinflusst und von den Geschehnissen, die das Leben der Menschen in dieser Epoche beeinflusst hatte.
Weltbild – Beeinflusst von den Ideen der Nazis
Der Epoche der Trümmerliteratur geht die Zeit des Nationalsozialismus voran, in der Hitler und seine Propagandamaschine die Denkungsweise der Menschen beeinflusst hatte. Die Herrschaft der Nationalsozialistischen Partei unter Hitler begann im Jahr 1933 und dauerte bis zum Ende des Krieges an. Die Machthaber hatten viel Wert auf die ideologische Schulung des Volkes gelegt. Es wurde ein Weltbild gezeichnet, in dem die Rolle der Frau auf das Gebären und Erziehen von Kindern beschränkte. Gebildete Frauen hatten im nationalsozialistischen Weltbild keinen Platz. Der Mann hatte die Aufgabe, Geld zu verdienen und der Familie vorzustehen.
Die Philosophie der Nazis ging davon aus, dass die deutsche Rasse wertvoller war, als andere und wurde deshalb als Herrenrasse bezeichnet. Juden und Menschen mit anderer Hautfarbe galten als Untermenschen und durch deren Tötung sollte erreicht werden, die deutsche Rasse rein zu halten. Männer sollten zu perfekten Kriegern ausgebildet werden und dazu beitragen, dass Deutschland als Herrenrasse die Welt regieren würde. Um diese Ideologie in den Köpfen der Menschen zu verankern, bediente man sich der Propaganda, deren Träger die Sprache war. Nach der Kapitulation fällt das Nazi-Regime und mit ihm sein Weltbild. Die Menschen empfinden einen Wertverlust, quälen sich andererseits auch mit der Schuldfrage und möchten sich vom Nationalsozialismus abgrenzen.
Historischer Hintergrund
Am 8. Mai 1945 ist der Krieg nach 4 ½ langen Jahren endlich zu Ende. Die Kapitulationserklärung wurde unterzeichnet und das „Tausendjährige Reich“ der Nazis ist nach einer Schreckensherrschaft von 12 Jahren untergegangen. Deutschland liegt in Trümmern. Durch die Bombenangriffe sind die meisten deutschen Städte schwer zerstört. Millionen von Menschen sind im Krieg umgekommen. An der Front gefallen, durch Bomben getötet, Opfer der Konzentrationslager oder auf den großen Flüchtlingsbewegungen Hunger, Kälte und Gewalt zum Opfer gefallen; in fast jeder Familie gibt es Tote zu beklagen. Viele Menschen haben im Laufe des Krieges traumatische Erfahrungen gemacht und heimkehrende Soldaten sowie die Zivilbevölkerung sehnen sich nach Frieden. Die ersten Nachkriegsjahre stehen im Zeichen des Wiederaufbaus. Jedoch sind Lebensmittel und andere Güter knapp und das Volkdurchlebt eine entbehrungsreiche Zeit.
Die Schriftsteller der Epoche
Zu den Schriftstellern gehören in der Zeit der Trümmerliteratur viele junge Männer, die im Krieg und in Gefangenenlagern Schlimmes durchgemacht haben. Mit ihren Gedichten suchen sie nicht nur, die neue Realität ihrer Heimat einzufangen, sondern verarbeiten auch ihre grausame Vergangenheit. Thema der Gedichte ist oft eine Hoffnungslosigkeit und eine realistische Beschreibung der Zerstörung. Die Sprache in der Trümmerliteratur kommt ganz ohne Schnörkel aus, ist direkt und vor allem neutral. Man sucht eine klare Abgrenzung zu der propaganda-behafteten, flosskelreichen Sprache des Dritten Reiches. Auch die Sprache soll befreit werden und sich dem neuen Lebensgefühl anpassen. Sie ist oft karg und pragmatisch, doch auch reich an Metaphern, Anaphern, Parataxen und Ellipsen sowie anderen Stilelementen.
Die Schriftsteller der Trümmerliteratur sind scharfe Beobachter. Sie wollen die Realität nicht verschönen oder idealisieren. Es geht ihnen vielmehr um eine exakte Beschreibung vom dem, was geschieht und geschehen ist. Es wird eine lebensnahe Perspektive gewählt, in der Poetisierung keinen Platz findet. Die jungen Autoren leben in der Realität, die sie beschreiben und nehmen daher nicht die Perspektive aus dem Elfenbeinturm ein.
Die Sprache wird als Mittel benutzt, um einen Bruch mit früheren Werken aus einer anderen Generation zu signalisieren. In der Lyrik bemerkt man beispielsweise oft das Fehlen eines Reimschemas oder einer Metrik. Viele Autoren bedienen sich auch eigener Wortkreationen und setzen alles daran, mit Altem zu brechen. Das Lyrische galt dabei als bevorzugte Form, da es nicht wie die Prosa durch nationalsozialistische Propaganda geprägt war. Kurz und präzise wird ein Einblick in die neue deutsche Realität geboten.
Wichtige Schriftsteller aus der Epoche der Trümmerliteratur
Es gibt einige Autoren aus der Zeit der Trümmerliteratur, die auch heute ihre Wichtigkeit nicht verloren haben und noch gerne gelesen werden. Häufig wird man sich mit einer Gedichtanalyse ihrer Werke beschäftigen:
Günter Eich
Günter Eich wurde 1907 in Brandenburg geboren und diente im Zweiter Weltkrieg als Unteroffizier, wurde jedoch vor einem Fronteinsatz bewahrt. 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Schon vor dem Krieg war Eich ein produktiver Schriftsteller. In den Nachkriegsjahren gehören die Gedichte „Latrine“ und „Inventur“, die ausgezeichnete Beispiele für die Idee der Trümmerliteratur darstellen. Eich verstarb 1972.
Johannes Robert Becher
Johannes R. Becher lebte von 1891 bis 1958. Als Mitglied der KPD floh er vor dem Nazi-Regime und verbrachte der größten teil der Kriegszeit in Russland. Als Deutschland nach dem Krieg geteilt wurde, war Becher Mitglied der ostdeutschen Partei SED und wesentlich am kulturellen Aufbau Ostdeutschland beteiligt. Eines seiner wichtigsten Gedichte aus der Zeit der Trümmerliteratur ist „Ihr Mütter Deutschlands“.
Hans Werner Richter
Hand Werner Richter wurde 1908 geboren und verstarb 1993. Er geriet während des Krieges in amerikanische Kriegsgefangenschaft, wo er im Gefangenenlager die Zeitschrift „Der Ruf“ herausgab, die er auch nach seiner Freilassung und Rückkehr in Deutschland beibehielt. Sie wurde wegen kommunistischer Propaganda jedoch bald von den amerikanischen Besatzern verboten. Daraufhin gründete Richter die „Gruppe der 47“, in der sich viele Vertreter der Trümmerliteratur auf informelle Weise zusammenfanden. Somit förderte Richter auch wesentlich das Werk anderer Autoren. Selbst gab er 1947 die Gedichtsammlung „Europa, Deine Söhne“ heraus.
Typische Merkmale der Trümmerliteratur
Die Gedichte der Trümmerliteratur lassen sich oft schon an ihrem Inhalt erkennen. In der Regel drehen sie sich um ein zentrales Thema: Die Zerstörung. Es geht dabei nicht nur um die physische Zerstörung von Bauten, die in Ruinen liegen, sondern auch um die Zerstörung der Träume, die Menschen einst hegten. Die Strömungen der Exilliteratur und der Internen Emigration waren abgeschlossen und die Autoren der Trümmerliteratur setzen sich deutlich von vorhergegangenen Epoche ab.
Gedichte aus der Zeit der Trümmerliteratur sind realistisch, wahrhaftig und nicht poetisch. Ideologie, Propaganda und der Ausdruck von Gefühlen finden in diesen Dichtungen keinen Platz.
Die Sprache, die für diese Gedichte gewählt wird, ist betont einfach. Althergebrachte Stilelemente werden verbannt. Die Autoren wollen eine neue Sprache für sich schaffen, zu der auch oft die Bildung neuer Worte gehört. Zu den neuen Stilmitteln gehören besonders die lakonische Sprache und der Einsatz vieler Anaphern.
Das Ende der Trümmerliteratur
Die Trümmerliteratur wird oft mit Nachkriegsliteratur gleichgesetzt. Das ist jedoch eine falsche Annahme, da die Trümmerliteratur nur einen kleinen Zeitraum innerhalb der Nachkriegsliteratur kennzeichnet. Bereits um das Jahr 1950 hat der Wiederaufbau große Fortschritte gemacht und die Menschen drängen das Kriegsgeschehen mehr und mehr in den Hintergrund. Es erfolgt ein wirtschaftlicher Aufschwung und mit ihm ändert sich das Leben in Deutschland und die Literatur als dessen Spiegel.
So werden Gedichte aus der Trümmerliteratur analysiert
Der historische Zusammenhang stellt die wichtigste Basis dar, um die Gedichte aus der Trümmerliteratur korrekt zu interpretieren. Daraufhin folgen zwei Schritte, die so gestaltet sind, wie sie auch bei anderen Textanalysen eingesetzt werden.
Schritt 1: Vorarbeit
Bevor man das Gedicht interpretiert, sollte man es mehrere Male gründlich durchlesen. Dabei werden schon die ersten eindeutigen Merkmale des Gedichtes erfasst und notiert. Dazu gehören beispielsweise ein bestimmter Bezug auf die Epoche und den historischen Hintergrund. Darüber hinaus sollte der Einsatz von bestimmten Stilformen betrachtet werden. Dazu gehören sowohl das Metrum, als auch das Reimschema, die Interpunktion und ähnliche Elemente. Hat man ein gründliche Vorarbeit geleistet und alle wichtigen Merkmale des Gedichts notiert, so fällt die anschließende schriftliche Arbeit wesentlich leichter.
Schritt 2: Verfassen der schriftlichen Analyse
Die schriftliche Analyse eines Gedichts folgt stets einem ähnlichen Aufbau. In diesem Sinne unterscheidet sich die Arbeit mit Gedichten aus der Trümmerliteratur nicht von der mit Werken aus anderen Epochen. Die Arbeit wird in drei Teilen strukturiert: Einleitung, Hauptteil und Schlussteil. Die korrekte Zeit für eine solche Analyse ist immer das Präsens.
a.) Einleitung
Die Einleitung umfasst nur einige kurze Sätze. Der Autor, der Titel des Gedichts und das Erscheinungsdatum sollten darin stets erwähnt werden. Darüber hinaus wird kurz erwähnt, wovon das Gedicht handelt und zu welcher Epoche es gehört, in unserem Beispiel also zur Trümmerliteratur.
b.) Hauptteil
Der Hauptteil beginnt mit einer kurzen Inhaltsangabe des Gedichtes. Im Anschluss wird auf die Form eingegangen. Dazu gehören die Anzahl der Strophen und Verse, sowie das Reimschema und Versmaß.
Im Anschluss erfolgt die Interpretation. Dabei werden Form und Inhalt des Gedichts miteinander verglichen und es wird ein Bezug zum historischen Kontext geschaffen. Dabei sollten die Merkmale hervorgehoben werden, die für die Epoche typisch sind. Wichtig ist außerdem eine Betrachtung der rhetorischen Mittel, die der Dichter einsetzt, um seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen.
c.) Schlussteil
Am Ende der Analyse werden die wichtigsten Gedanken noch einmal zusammengefasst. Die Aussage des Gedichts wird umrissen und mit Hinsicht auf die Epoche, in der es verfasst wurde, bewertet.
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